«Berufung und Privileg»
«Meine Arbeit ist für mich Berufung und Privileg», sagt Felix Erpf. Der 46-Jährige ist Teamleiter im Jugendhaus der GHG Riederenholz. Zum Tag der Sozialen Arbeit am 18. März 2025 haben wir uns mit ihm über seine Berufung unterhalten.

Für Felix Erpf erfüllt Soziale Arbeit eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, die sehr vielfältig ist: «Soziale Arbeit ist sehr vielseitig, es gibt so viele verschiedene Berufsprofile, man hat eine riesige Auswahl.
Felix, du hast an der OST das Bachelor-Studium in Sozialer Arbeit mit Ausrichtung Sozialpädagogik abgeschlossen und bist seit rund eineinviertel Jahren Teamleiter im Jugendhaus der GHG Riederenholz. Was macht für dich das Wesen Sozialer Arbeit aus?
Soziale Arbeit ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Sie kommt Menschen am Rand der Gesellschaft zugute. Für mich ist es eine Berufung. In der Schweiz haben wir das Glück, dass soziale Arbeit als Beruf anerkannt ist. Ich kann mein Auskommen im Dienst an der Gesellschaft bestreiten, das ist ein Privileg – wie für jemanden, der super gern und gut Fussball spielt und Profi wird. Soziale Arbeit ist sehr vielseitig, es gibt so viele verschiedene Berufsprofile, man hat eine riesige Auswahl.
Wie spürst du deine Berufung in deiner täglichen Arbeit?
Abends im Bett lasse ich jeweils den Tag und das Erlebte Revue passieren. Dann wird mir bewusst, wie viel einem die Arbeit mit Menschen gibt. Menschen spiegeln dich immer, so dass du immer an deiner Persönlichkeit arbeiten kannst. Das ist bei mir nicht nur in der Arbeit mit den Jugendlichen so, sondern auch in meiner neuen Aufgabe als Teamleiter. Die Menschen sind der Grund für meine Berufswahl. Ich begann zuerst ein geisteswissenschaftliches Studium. Nach bestandenem Zwischenabschluss habe ich aber gemerkt, dass mich zwar die Themen interessieren, aber nicht erfüllen. Mir fehlten die Menschen – ich musste das Studium abbrechen. Ich habe dann in der Gassenküche das Vorpraktikum gemacht, damit ich an der Fachhochschule Sozialpädagogik studieren konnte.
«Empathie, das ist die absolute Kernkompetenz. Und Interesse an den Menschen. Als Sozialarbeits-Profi musst du ein Menschenfreund sein, gut zuhören können, gewaltfrei kommunizieren.»
Felix Erpf
Welche Fähigkeiten und Kompetenzen sind dir bei deiner Arbeit besonders hilfreich?
Empathie, das ist die absolute Kernkompetenz. Und Interesse an den Menschen. Als Sozialarbeits-Profi musst du ein Menschenfreund sein, gut zuhören können, gewaltfrei kommunizieren. In unserer Arbeit mit den Jugendlichen ist das Wichtigste, an sie zu glauben. Und du musst Optimist sein und an Lösungen glauben. Als Teamleiter muss ich zusätzlich auch mal Direktiven durchgeben und Konflikte lösen können – da ist meine Empathie zum Teil fast etwas hinderlich. Ein schlechtes Gewissen habe ich als Teamleiter jeweils, wenn mir die Jugendlichen sagen: «Hey, dich sieht man ja fast nie mehr.» Aber Einsatzpläne, Projekte, Sitzungen und sonst Administratives gehören eben auch dazu.
Du arbeitest seit rund zweieinhalb Jahren im Riederenholz. Weshalb und mit welchen Erwartungen hast du dich seinerzeit beworben?
Mich faszinieren interdisziplinäre Arbeitsfelder. Ich war vorher im Suchtbereich und in einer psychiatrischen Jugendklinik tätig. Im Lauf der Jahre habe ich gemerkt, dass mir das Thema Sucht mit all seinen Auswirkungen zusetzte. Und in der Klinik habe ich rasch festgestellt, dass für mich die stark hierarchische Struktur nicht passte. Ich habe mich dann hier beworben, weil mir die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zusagt und weil mir das Riederenholz als eher familiäre Institution bekannt war. Zuerst arbeitete ich rund ein Jahr in der Kinderwohngruppe. Als mich Institutionsleiter Christoph Wiedemann dann fragte, ob ich die Teamleitung im Jugendhaus übernehmen wolle, habe ich zugesagt.
Und wie haben sich deine Erwartungen erfüllt?
Meine Erwartungen haben sich erfüllt. Ich kann mich und meine Meinung einbringen, meine Arbeit wird wertgeschätzt. Wir haben das Glück, in Christoph einen sehr menschlichen Chef zu haben, der partizipativ führt. Für mich ist es immer ein super Gradmesser, ob ich mich freue, wenn der Chef weg ist. Hier ist es umgekehrt: Wenn er weg ist, fehlt er.

Wenn Felix Erpf Nachtbereitschaft hat, ist das Büro auch Schlafzimmer.
Was gefällt dir am besten an deiner Arbeit?
Mir gefällt hier sehr viel, meine Arbeitszufriedenheit ist sehr hoch. Auf Platz 1 steht der Kontakt mit den Menschen.
Welches sind die grössten Herausforderungen?
Dass ich mich nicht aufteilen kann. Ich wäre ab und zu gern mehr in der Betreuung, bin aber gleichzeitig glücklich in meiner Rolle als Teamleiter. Diese Ambivalenz und das Gefühl auszuhalten, ich sei zu wenig für die Jugendlichen da, ist anspruchsvoll.
In deiner Arbeit mit den Jugendlichen entstehen enge Beziehungen. Wie schaffst du es, abzuschalten und beruflich von privat zu trennen?
Ich schaffe es nicht immer, aber immer besser. Wie genau, kann ich nicht sagen. Vielleicht einfach, weil ich gerne zuhause bin und dort auch gebraucht werde, mit und von meiner 12-jährigen Tochter.
Zu guter Letzt: Was schätzt du am meisten an der GHG? Und womit würdest du es einer Kollegin oder einem Kollegen schmackhaft machen, sich für eine Stelle in der GHG Riederenholz zu bewerben?
An der GHG schätze ich sehr, dass sie ein grosser Player ist mit ganz verschiedenen Institutionen und Angeboten, die das ganze Menschenleben abdecken. Und dass sie eine gute Kultur hat und diese pflegt: umgänglich, auf die Menschen ausgerichtet, ohne hierarchischen Druck, mit Wertschätzung und Wohlwollen, auch für die Mitarbeitenden. Werbung machen würde ich mit unserer sozialen Arbeit: Die Zusammenarbeit mit Menschen, mit Kindern und Jugendlichen, ist etwas sehr Lebensnahes, Sinnstiftendes und Erfüllendes. Und ich würde unsere Leitung und unser Team hervorheben.
