< Zurück

«Einen guten Dienst
erweisen? Das ist
Ehrensache»

Er vizepräsidierte die GHG fast ein Vierteljahrhundert, war in all den Jahren der Mann der Projekte und Veränderungen und stand trotzdem – oder gerade deshalb – stets für Stabilität: Stephan Weigelt. Jetzt tritt der «alte Hase» mit dem kritisch-offenen-neugierigen Geist zurück. Für uns mindestens ein Grund, ihm den Puls zu fühlen. 

Im Juni 2023 verabschiedet sich Stephan Weigelt aus dem Vorstand der GHG. Er blickt auf ein wertvolles Vierteljahrhundert zurück, freut sich, der GHG verbunden zu bleiben und wünscht ihr die Kraft und den Nerv, die vielfältigen Herausforderungen, die anstehen, wirkungsvoll meistern zu können.  

Stephan Weigelt, beginnen wir chronologisch. Welches war Ihr erster Berührungspunkt mit der GHG?

Wenn ich mich richtig erinnere, war das in den 1980er Jahren bei der St.Gallischen Creditanstalt (CA), der heutigen acrevis Bank AG. Die Bank pflegte eine enge Zusammenarbeit mit der GHG und schon da waren Bankmitarbeitende in GHG-Institutionen aktiv. Sehr konkret wurde die Beziehung zur GHG, als ich selbst Chef der Bank wurde. Da wurde ich bald angefragt, das Vizepräsidium der GHG zu übernehmen.

Wie war die GHG damals? Welches waren Ihre Aufgaben?

Anders als heute war die GHG damals mit Betriebskommissionen organisiert, die sich um das Geschäft der Institutionen kümmerten. Alles war viel fliessender zwischen dem Strategischen und der Aufsicht einerseits und dem Operativen andererseits. Der Ausschuss bereitete die Geschäfte für den Vorstand vor. Ich unterstützte den Präsidenten punktuell. Das Vizepräsidium war damit ein überschaubares Ehrenamt.

Und heute?

Die Aufgaben und auch das Pensum änderten sich mit den Anstössen für die Reorganisation und schliesslich massgeblich mit dem Entscheid für die Statutenänderung an der historischen Hauptversammlung 2018. Die operativen Aufgaben der Betriebskommissionen sollten fortan durch eine Geschäftsleitung, das Strategische durch den GHG-Vorstand übernommen werden. Im Rahmen dieser Veränderungen wurde mir die Leitung der internen Aufsicht übertragen und im Rahmen des Präsidialausschusses unterstützen wir die neu geschaffene Gesamtleitung. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Bankleitung bereits in die Hände meines Nachfolgers übergeben. Zeitlich wäre das sonst nicht aufgegangen.

Thema einer GHG News-Ausgabe ist «Aufblühen». Was fällt Ihnen dazu im Kontext zur GHG ein?

Die GHG ist eine sehr alte Organisation, die sich über all die Jahre entwickelt und verändert hat. In den letzten fünf Jahren ist sie sichtlich aufgeblüht. Wir sind organisatorisch komplett neu aufgestellt, haben unseren Tätigkeitsbereich erweitert, personell einiges verändert und werden heute auch von aussen ganz anders wahrgenommen. Eine solche Dynamik war neuartig in der Geschichte der GHG. Die Frische, die aus den verschiedenen Prozessen und Entwicklungen entstanden ist, nehmen wir gerne mit in die Zukunft.

«Die GHG ist eine sehr alte Organisation, die sich über all die Jahre entwickelt und verändert hat. In den letzten fünf Jahren ist sie sichtlich aufgeblüht.»

Was hat sich mit Blick auf die Institutionen verändert?

In den meisten Bereichen ist es dynamischer geworden. Noch vor einigen Jahren waren die Aufgabengebiete der Organisationen klarer definiert. Den wohl grössten Wandel gab und gibt es immer noch im Bereich der Behindertenorganisationen wie etwa der Sonnenhalde Tandem, wo die Inklusion von Menschen mit einer Beeinträchtigung in die «normale» Gesellschaft zum grossen Thema wurde. Damit verbunden sind andere Anfordernisse als noch vor 25 Jahren. Ein zweites Feld ist der Bereich Alter, in dem wir uns mit unserem ursprünglichen Angebot im Mar­thaheim von einem Anbieter für Menschen mit besonderem Unterstützungs­bedarf zum Kompetenzpartner für ein sehr breites Klientel an älter werdenden Menschen entwickelt haben. Da gehören die Ansprüche aus dem Bereich Demenz und Gerontopsychiatrie zu den ganz wichtigen Themen.

Welches war Ihr Beitrag in 25 Jahren GHG?

(Denkt länger nach) Ich glaube, mein Punkt war, dass ich bei besonderen Herausforderungen oder spezifischen Problemen immer bestrebt war, nicht nur «fürschi zluege», sondern auch «fürschi zmache». Ich habe versucht, auf Lösungen hinzuarbeiten; manchmal sicherlich auch mit einer spürbaren Konsequenz. Das Aufblühen – um das Thema nochmals aufzugreifen – war nicht immer nur eine Pracht. Manchmal war der Weg mühsam oder anstrengend und das Resultat zeigte sich erst viel später. Wichtig war’s auf jeden Fall.

Was war die grösste Freude?

Die Entwicklung rund um die GHG Rosenberg. Dazu muss man sagen, dass die Institution, wie sie heute dasteht, im Wesentlichen das Verdienst unseres Präsidenten Heinz Loretini ist. Er war es, der Anfang der 2000er Jahre die Idee hatte, auf dem Kreuzacker ein Kompetenzzentrum Alter zu verwirklichen. Die GHG Rosenberg mit ihrem vielfältigen Angebot für die unterschiedlichsten Bedürfnisse von Menschen mit unterschiedlichsten Lebensgeschichten bietet riesige Möglichkeiten und ist eine faszinierende Leistung. GHG Maurini, unsere jüngste Institution, die am 1. April 2023 Eröffnung feierte, setzt hier gleich noch eins obenauf.

«Ich finde, jeder und jede in der Wirtschaft sollte sich in irgendeiner Art sozial engagieren – es verändert die Sozialkompetenz.»

Was hat weh getan?

Der Untergang der WG-Schule. Wir wollten eine Vorzeigeinstitution für Kinder mit einer Wahrnehmungsstörung schaffen, das Ganze orientiert an der Affolter-Methode. Es sollte anders kommen. Der Kanton verlangte aus Effizienzgründen, das Angebot in die HP-Schule zu integrieren. Das war ein Schmerz, insbesondere deshalb, weil wir das Potenzial sahen und das Konzept multiplizierbar gewesen wäre.

Die GHG hat sich verändert. Wie hat die GHG Sie verändert?

Mit einem solchen Engagement bekommt man ein besseres Verständnis für sozial und/oder gesundheitlich benachteiligte Menschen. Der Blickwinkel verändert sich im Umgang mit diesen Menschen wie auch entsprechenden Themen und Fragestellungen. Das war in all den Jahren sehr bereichernd. Ich finde, jeder und jede in der Wirtschaft sollte sich in irgendeiner Art sozial engagieren – es verändert die Sozialkompetenz.

Im Juni werden Sie die GHG-Karriere als Vizepräsident beenden und aus dem Vorstand ausscheiden. Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt?

Ich bin überzeugt, dass eine neue Generation mit neuen Kräften, neuen Gedanken und neuen Impulsen der GHG guttut; meine privaten und persönlichen Ressourcen-Pläne ergänzen diese Überlegung. Selbstverständlich bleibe ich der GHG als interessiertes Vereinsmitglied erhalten. Dann gibt es Berührungspunkte aus anderen Tätigkeiten, etwa bei Stiftungen oder der acrevis Bank. Wenn da die Möglichkeit besteht, einen guten Dienst erweisen zu können, dann ist das für mich Ehrensache.

Die drei Buchstaben der GHG stehen für Gemeinnützige und Hilfs-Gesellschaft. Was repräsentieren sie für Sie?

Beim ersten G und beim H stimme ich absolut überein. Sie stehen für «gemeinnützig» und «Hilfe». Beim zweiten G wähle ich das Adjektiv «gut». Das ist, was die GHG im Kern ist – gut und wichtig, gestern, heute und morgen.

Die GHG hat in den letzten fünf Jahren grosse Veränderungen durchlebt. Die Führungsstruktur wurde vereinfacht, die Entscheidungswege wurden verkürzt, die Abläufe sowie die Zuständig­keiten klar definiert. Die Änderungen betrafen insbesondere die Führungsorganisation und -prozesse und hatten zum Ziel, die GHG, wie sie in den mehr als 200 Jahren seit ihrer Gründung 1816 gewachsen ist, weiterzuentwickeln, noch stärker zu machen. Bei aller Veränderung stand etwas immer im Fokus: der Grundauftrag der GHG und ihrer Institutionen, für Menschen mit besonderen Bedürfnissen die bestmögliche Betreuung und Förderung zu bieten.